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Die Schule des Sehens – Eine Einladung

Sehen ist keine Technik. Es ist keine Methode, kein Trick, kein performativer Akt. Sehen beginnt dort, wo die Absicht endet.

 Diese Schule ist kein Ort, an dem man lernt, wie man „richtig“ sieht. Sie ist eine Einladung, das Sehen zu verlernen – oder besser: zu entkleiden. Von Bedeutung, von Kontrolle, von Geltungsdrang. Denn was wir meist tun, ist nicht sehen, sondern benennen. Wir sortieren, wir greifen zu, wir vergleichen. Doch zwischen dem Blick und dem Begriff liegt ein Raum – und genau dort beginnt das Eigentliche: das stille Wahrnehmen.

Die Schule des Sehens ist ein Übungsraum. Kein Ziel. Kein Wettbewerb. Kein Produkt. Hier wird nicht gelehrt, sondern wiederholt. Nicht zur Perfektion, sondern zur Durchlässigkeit. Du wählst ein Werkzeug – vielleicht eine Kamera, vielleicht deinen Körper, vielleicht nur deinen Blick. Du folgst ihm, nicht um zu glänzen, sondern um zu verschwinden. Und im besten Fall geschieht das, worauf du keinen Einfluss hast: Etwas beginnt durch dich hindurch zu wirken.

Absichtslosigkeit ist dabei keine Passivität. Sie ist eine geübte Form der Präsenz. Diszipliniert, wach, verbunden – und dabei völlig frei von der Angst, etwas zeigen zu müssen. Wenn du hier bist, weil du etwas sehen lernen willst – willkommen. Wenn du hier bist, weil du nichts mehr beweisen willst – noch besser.

Und wenn du hier bist, ohne genau zu wissen warum – vielleicht ist das der beste Anfang.

Die stille Brillanz des Absichtslosen - eine Projektion, ein Weg, ein Widerspruch

Brillant zu sein, ist nicht Absicht. Absichtslos zu sein, ist nicht brillant. Wer das versteht, hat etwas begriffen. Und doch bleibt es ein Schlüssel – kein Ziel, sondern ein Tor. Kein System, sondern ein Windhauch, der nur zu spüren ist, wenn man still genug wird.

Absicht erzeugt Kontrolle. Kontrolle erzeugt Wiederholung. Wiederholung erzeugt Sicherheit. Aber Brillanz – wahre Brillanz – entsteht nicht in der Sicherheit, sondern in der Leere zwischen zwei Gedanken. Dort, wo du aufhörst zu funktionieren.

Wie gelangt man dorthin?

Nicht durch Wollen. Nicht durch Planen. Sondern durch Tun – wieder und wieder, bis das Tun sich vom Ich ablöst. Wähle ein Werkzeug – die Kamera, den Satz, den Körper, den Blick. Lerne es wie ein Handwerk. Miss dich nicht an Genialität, sondern an Klarheit. Verlass dich auf das Wiederholen, nicht auf das Gelingen. Und dann: vergiss dich.

Vergiss, dass du etwas zeigen willst. Vergiss, dass jemand zusieht. Vergiss, dass es zählt.

Denn nur was du tust, ohne gesehen werden zu wollen, beginnt zu leuchten. Nur was aus der Fülle deiner Gegenwart entsteht, wirkt über dich hinaus.

Absichtslosigkeit ist keine Faulheit. Sie ist höchste Disziplin.

Nicht als Regel, sondern als Haltung: Geübt, durchlässig, offen. Du wirst nicht brillant sein. Aber manchmal wird etwas durch dich hindurchscheinen,

´Joerg Alexander / Berlin / Mittwoch, 09.04.25  

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